* Gefällt Dir diese Homepage oder meinst Du es besser zu können? Erstelle deine eigene kostenlose Homepage jetzt! *

Onkelz Konzerte

Hi hier ein paar kurze berichte:

"Man hasst oder man vergöttert sie"


Sie wurden als Ikone der Skinheadszene bekannt. Sie bereuten und setzen sich seit Jahren "gegen Rechts" ein. Sie feiern Erfolge in Serie. Nun kommt das letzte Album der "Böhsen Onkelz"

von Thomas Lindemann

Einen Moment lang könnte man vergessen, dass man mitten in der Bankenmetropole Frankfurt ist. So idyllisch ist das Haus gelegen, das die Böhsen Onkelz sich im Nordend mit dem Techno-DJ Sven Väth teilen. Edmund Hartsch, Biograf und Sprecher der Hardrockband, sitzt barfuß an seinem Schreibtisch. In der Küche stehen ein paar Kollegen an der Espressomaschine. "Schau dich um", heißt es, "wir setzen uns gleich auf den Balkon." Dort scheint die Sonne.


Zehn Jahre lang hat die Band nicht mit Journalisten gesprochen. Nur die Fachblätter "Rock Hard" und "Metal Hammer" bekamen eine Audienz, denn sie halten sich an die Spielregeln: Ausschließlich Fragen zur Musik. Und bloß keine Nazivorwürfe.


Ende Juli erscheint das neue, letzte Album der Böhsen Onkelz. Wie jede ihrer CDs seit Ende der 90er wird es auf Platz eins der Pop-Charts einsteigen. Für die Abschiedstournee sind jetzt schon über 200 000 Tickets verkauft, noch bevor ein einziges Werbeplakat geklebt wurde.


Bis heute begleitet die Band der Vorwurf, sie stünde für Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit. Jahrelang haben Kaufhausketten wie Wom und Karstadt die Band boykottiert. Musiker wie Grönemeyer und Westernhagen wollen nicht gemeinsam mit diesen Kollegen auftreten. Die Böhsen Onkelz sind eine der erfolgreichsten Bands Deutschlands. Und sicher die mit dem schlechtesten Ruf.


Stephan Weidner, der seit der Bandgründung Bass spielt und die Texte schreibt, lehnt sich in einem großen Bürostuhl zurück und verschränkt die Arme hinterm Kopf. "Natürlich haben wir dazugelernt." Sagt er: "Oder sehe ich aus wie ein Skinhead und Schläger?"


Er trägt T-Shirt und eine rosafarbene Fransenweste. Auf den starken Unterarmen Tattoos, das größte zeigt den Namen "Elvis". Motorradstiefel und ein Lederarmband. Nur die Jeans ist nicht die eines Rockers: ein Modell von Dsquared, sehr teure Mode jenes extravaganten kanadischen Designer-Zwillingspaars, die auch Madonna in ihrem Westernvideo "Don't tell me" trug. Alles in allem: kein Schläger. Wahrscheinlich ein netter Mensch.


Das war einmal anders. 1980 wurden die Böhsen Onkelz als Punkband gegründet. Die Bewegungen Punk und Skinhead waren frisch aus England importiert, ihr "politisches" Programm bestand aus lauter Musik, Bier und Schlägereien. Letztere allerdings meist mit jungen Ausländern. Auf acht Gigs vor 50 bis 100 betrunkenen Punks spielten die "Onkelz" Anfang der 80er ein Lied, das aus kaum mehr als der ins Mikro gemurmelten Zeile "Türken raus!" bestand.


Der Song ist nie auf Platte erschienen, kursiert aber bis heute im Internet. Bei einem Berliner Konzert sang die Band 1983 nicht mehr, wie in ihren Punk-Anfängen, gegen "Staatsgewalt", sondern gegen "Kanakenwelt". Und im Sommer 85, als sie auf einem Skinhead-Konzert ihr Lied "Deutschlandlied" mit dem Text "deutsche Frauen, deutsches Bier - schwarz-rot-gold wir stehn zu dir" spielte, änderte Sänger Kevin kurzerhand in "schwarz-weiß-rot" um. Innerhalb der Band gab es danach heftigen Streit. Aber sie stieg damit zu einer Ikone der rechten Skinhead-Szene auf.


"Es ging um Rebellion gegen alles und jeden", erklärt Weidner und möchte über diese Zeit kaum reden: "Es nervt, darauf reduziert zu werden." Zwei Jahre seien es, die das Image bis heute geprägt haben. Zwei von vierundzwanzig.

Wenn er erklärt, dass in der damaligen Szene etwa Punks mit Hakenkreuzen in die Clubs gekommen seien, muss man schon in Details der Subkultur einsteigen: Am Frankfurter Berg habe man sich ständig mit Türken geschlagen. Echte Rechtsradikalität sei aber erst Mitte der 80er dazugekommen. Und nie hätten die damals 20-Jährigen geglaubt, dass ihre Lieder die Szene um die Frankfurter Kneipe "Batschkapp" je verlassen würden.


Das Lied "Türken raus" hat die Band nach 1983 nie wieder gespielt. Von den umstrittenen Songs distanzierte sie sich 1987. Drei Jahre lang klagte sie gegen den Plattenmanager Herbert Egoldt, um ihre ersten drei Alben vom Markt zu nehmen. Anfang der 90er ging Weidner auf Reisen, Mexiko, Indien, Selbstfindung. "Irgendwann siehst du, dass es total destruktiv ist, was du machst. Dann begibst du dich auf die Suche", sagt er. Mit ihm änderte sich die Band. Sie schaltete Zeitungsanzeigen gegen Faschismus. Sie nimmt seit 1993 an Konzerten "gegen Rechts" teil. Zeigten Konzertbesucher den Hitlergruß, wurden sie abtransportiert. Heute engagieren sich die vier Musiker für Kinder in Peru, sammeln für Kriegsopfer Afghanistans und die International Peace Foundation.


Wer Artikel über die Böhsen Onkelz liest, muss glauben, es ginge um eine andere Band. Vor zwei Monaten behauptete die "Münchner Abendzeitung", ein Onkelz-Song heiße "Gaskammer-Gutschein", die Band wolle ansonsten "Türken nur im Sarg" sehen. Als die Rocker im letzten Jahr als Vorgruppe der Rolling Stones auftraten, schrieb der Londoner "Mirror" von einer "Nazi-Band", die singe: "Wir wollen Juden sterben sehen."


Nichts davon findet sich in den Liedern der Frankfurter.


"Wir sind mit diesem Stigma behaftet, für Rechtsradikalität zu stehen", sagt Weidner. "Wenn man etwa mit dem Holocaust in Verbindung gebracht wird, tut das schon weh." Bandbiograf Edmund Hartsch führt Besuchern gern eine Regalwand vor: gut zwei Meter Aktenordner mit Artikeln. "90 Prozent Unwahrheiten, Ungenauigkeiten, von angeblichen Ausschreitungen bei Konzerten ist die Rede oder von Textzeilen, die es nie gab." Darunter ein langes Schubfach mit Tonbändern: die musikalischen Anfeindungen von rechtsradikalen Bands. "Man hasst oder man vergöttert sie, so ist das nun mal", schreibt ein Fan im Internetforum über die Onkelz.


"Ich glaube den Onkelz ihre Umkehr", kommentiert Matthias Weckmann. Der Redakteur der Zeitschrift "Metal Hammer" führt seit sieben Jahren die Interviews mit der Band. Er sieht eine Chance im Phänomen Onkelz: "Wenn die etwas gegen Rechts sagen, erreichen sie damit mehr als alle Lichterketten."


Auch andere sahen das. Alice Schwarzer setzte sich für die Band ein, Daniel Cohn-Bendit unterstützte sie. Dagmar Lill, Ausländerbeauftragte des Landes Bremen, erinnert sich gern an die Zusammenarbeit mit ihnen. "Wir haben uns Anfang der 90er gefragt, wie wir die rechten Ausländerhasser wirklich erreichen können." Sie fand die Onkelz. "Es ist doch Gold wert in unserem Kampf gegen Rechts, dass die Idole dieser großen, in Minderheiten auch aus der rechten Ecke stammenden Fangemeinde auf der Bühne offen sagen: Wir haben als Jugendliche Scheiße gebaut, unsere Meinung geändert und kämpfen nun gegen Hass und Gewalt." Redakteur Weckmann geht noch weiter: "Eine große Chance wurde damit vertan, dass die Onkelz nicht viel konsequenter gegen Rechts eingesetzt worden sind."

So konnte die frühere Krawallkombo, von ihren dumpfen Parolen abgesehen, bei ihren Wurzeln bleiben: Unverstanden zu sein, diese Energiequelle des Teenagers blieb erhalten. Ihre Botschaften blieben einfach. Sei du selbst, tanz nicht nach der Pfeife der Massenkultur. "Ich bin nicht stolz auf ein Land, das seine Jugend nicht ernst nimmt", sagt Weidner.


Die neuen Lieder sind entsprechend wütend und trotzig. Die Single "Onkelz vs. Jesus" blickt auf die Bandgeschichte zurück: "Wir waren doof, aber selbstbewusst", die Presse erhält den Stempel "nichts als Arschgesichter". Der Song "Hass-tler", eine etwas experimentelle Verschmelzung von "Hass" und "Hitler", ist ein Plädoyer gegen Ausgrenzung. Dazu flinker Hardrock. Matthias "Gonzo" Röhrs Gitarre jault und dröhnt wie bei den großen Vorbildern aus den 70ern: Kiss, Led Zeppelin, britischer Punk.


Man kann das Kitsch nennen oder simpel. Aber der offizielle Fanclub hat 5000 Mitglieder und bearbeitet wöchentlich 500 Briefe und E-Mails. Und dass man von der Band lernen kann, betont Stephan Wiegel vom wohl jüngsten Fanclub "Böhse-Fanz" aus Mittelhessen: "Man beschäftigt sich mit der Bandgeschichte und mit Rechtsradikalismus." Die Mitglieder seines Clubs sind in den 80ern geboren - als die Band sich von ihrer umstrittenen Phase distanzierte, lernten sie gerade erst lesen.